Studium

Arzt werden? Wahrheit über das Medizinstudium und den Beruf

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Justin
23.09.2021
6 Min

Der Beruf des Arztes/der Ärztin wurde und wird gesellschaftlich meist hoch angesehen. Das Bild der „Halbgötter in weiß“ ist auch im Jahr 2022 immer noch nicht vollständig aus den Köpfen der Bevölkerung verschwunden. Oftmals werden den Medizinstudent/innen äußerst hohe kognitive Fähigkeiten zugeschrieben und so wird die Tätigkeit des Mediziners/der Medizinerin oft als Traumberuf empfunden. Entgegen dieser Erwartung raten viele ausgebildete Fachkräfte vom Studium ab und zeigen die Schattenseiten des Berufs: Lange, unflexible Dienste, zu wenig Patientenkontakt, zu viel Bürokratie! Vielleicht hast du dir selbst sogar schon die Frage gestellt, ob du das Studium überhaupt schaffst und ob du deshalb überhaupt Mediziner/in werden solltest. All diese Fragen beantworten wir dir in diesem Beitrag.

Bin ich für das Medizinstudium geeignet?

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, da man sie von mehreren Seiten beleuchten muss. Zunächst musst du der Universität, bei der du dich bewirbst, zeigen, dass du „geeignet“ bist. Das entscheidet die Universität im Bewerbungsverfahren.

Hast du einen der heiß begehrten Studienplätze erhalten, wird sich schnell zeigen, wie fleißig und stressresistent du bist. Deine Klausurergebnisse beachten allerdings noch nicht deinen persönlichen Charakter oder deine zwischenmenschlichen Fähigkeiten. Auch in diesen Bereichen ist es wichtig herauszufinden, wie gut dir die Interaktion mit Patient/innen, aber auch mit Vorgesetzten gelingt. Eine offene, Positivität und Kompetenz ausstrahlende Haltung deinen Mitmenschen gegenüber ist für den Klinikalltag unabdingbar.

An Ende der Ausbildung steht die Ausübung des ärztlichen Berufes, der letztendlich auch mit einer lebenslangen Weiterbildung, viel Verantwortung und einem perfekten Zeitmanagement verbunden ist. Den finanziellen Aspekt lassen wir bewusst in diesem Artikel aus, da wir davon überzeugt sind, dass das Gehalt keinen primären Einfluss auf die Motivation für das Studium haben sollte.

Die Bewerbungshürde

Um Medizin studieren zu können, musst du dich zunächst einmal bewerben. Klingt einfacher, als es ist. Seit 2020 gibt es ein überarbeitetes Bewerbungsverfahren, welches die Chancen auf einen Studienplatz teilweise drastisch verändern. Während der Bewerbungsphase wirst du dich entscheiden müssen, über welche Quote du dich bewerben möchtest:

In einigen dieser Quoten wirst du verschiedene Medizinertests (z.B. HAM-Nat, TMS) absolvieren müssen, die insbesondere deine kognitiven Fähigkeiten und dein naturwissenschaftliches Verständnis prüfen. Deine psychosozialen Fähigkeiten bleiben auch bei diesen Tests meist auf der Strecke. 

Mit der Neuregelung des Zulassungsverfahrens werden dir an einigen Universitäten z.B. auch Punkte auf eine abgeschlossene Berufsausbildung gegeben.

„Schaffe ich das Studium?“ – Die Wahrheit über das Medizinstudium

Angenommen du hast es in das Studium geschafft: Was brauchst du, um auch erfolgreich durchzukommen? Im Folgenden haben wir eine kleine Liste mit Eigenschaften erstellt, die wichtig für einen positiven Studienverlauf sind:

  • Durchhaltevermögen
  • Stresstoleranz
  • Fleiß
  • Willenskraft

Während des Medizinstudiums (vor allem im Regelstudiengang) wirst du in den ersten zwei Jahren mit Wissen regelrecht „überflutet“. Über die Jahre hinweg verteilt, kommen immer und immer wieder neue Inhalte dazu. Alte Inhalte werden jedoch selten aus dem Lernzielkatalog herausgestrichen. Dies führt häufig zu einem Gefühl der Überforderung. Den Anschluss verlieren sollte man deshalb in den ersten zwei Jahren (Vorklinik) auf keinen Fall! Die Prüfungen sind in Form von mündlichen Testaten meist ein oder zwei Mal wöchentlich getaktet. Hinzu kommen dann noch einige schriftliche Prüfungen. Dies kann jedoch von Uni zu Uni variieren.

Wie intelligent muss ich für das Studium sein?

Wie du oben in unserer Liste siehst, zählen wir „Intelligenz“ (kognitive Fähigkeiten) nicht zu den wichtigsten Eigenschaften für das Medizinstudium. In der Regel hast du mit dem erfolgreichen Bestehen der Aufnahmetests alle notwendigen Voraussetzungen für das Studium. Einige naturwissenschaftliche Prüfungen können unter Umständen sogar einfacher sein! Viel wichtiger ist es, dem Druck der Dozent/innen standhalten zu können und auf die Frage „Wieso tue ich mir das eigentlich alles an?“ immer wieder eine Antwort zu finden. Das klingt im ersten Moment erst mal hart, ist aber mit dem Ziel vor Augen durchaus machbar – keine Angst! Wer also Medizin studieren möchte, muss nicht zwangsläufig ein Ausnahmetalent sein.

Wie gut muss ich Auswendiglernen können?

Ein häufiges Klischee ist es, dass Studierende der Medizin so gut wie alles nur Auswendiglernen müssen. In der Tat muss man sich viele Dinge einfach ohne großen Zusammenhang merken, um eine Grundbasis an Wissen schaffen zu können. Aber keine Angst: Übung macht den Meister! Vor allem Fleiß ist hier gefragt. Deshalb haben wir „Merkfähigkeit“ nicht auf unsere Liste der wichtigsten Eigenschaften gesetzt.

Was sagt ein gutes Abitur über die Studierfähigkeit aus?

Bewerber/innen diskutieren häufig über diese Frage. Der Frust ist groß, wenn man z. B. mit einem Abitur von 2,0 keinen Studienplatz bekommt, obwohl man aus tiefster Überzeugung Arzt/Ärztin werden möchte. In der Tat sagt das Abitur relativ wenig über die Intelligenz oder die kognitiven Fähigkeiten des/r Absolventen/in aus. Dennoch lässt sich tendenziell ein gewisser Ehrgeiz und Fleiß, also eine Arbeitsmoral ableiten. Allerdings gibt es auch diverse andere Faktoren, die den Notendurchschnitt zusätzlich beeinflussen (z. B. Lehrer/innen, Lebenssituation usw.).

Einige Abiturienten/innen wissen in dem Alter auch noch nicht, was sie später beruflich machen möchten und strengen sich deshalb in der Schule nicht wirklich an. Andere sind generell sogenannte „Spätzünder“ und merken erst viel zu spät, wie wichtig ein gutes Abitur im Hinblick auf die Berufswahl sein kann. Zusammenfassend stehen nach wie vor Eigenschaften wie Fleiß, Willenskraft und Durchhaltevermögen höher in der Wertung, wenn es einzig und allein um das erfolgreiche Bestehen des Studiums geht.

Das Berufsleben

Das Berufsleben eines/r Mediziners/in ist äußerst vielseitig. Entgegen vieler Erwartungen lässt sich die reale Arbeit allerdings nicht mit dem in „Grey’s Anatomy“ dargestellten Alltag vergleichen. Die ärztliche Rolle hat sich laut vieler Mediziner/innen über die Jahre sehr verändert. Zu wenig Zeit für zu viele Patient/innen! Das macht beide Seiten unzufrieden. Der Kontakt nimmt besonders in der Klinik ab und die Behandlung wird unpersönlicher. Dies führt nachgewiesen auch zu einem schlechteren Therapieerfolg. Hinzu kommt die Dokumentation, die mittlerweile einen großen Anteil der ärztlichen Tätigkeit einnimmt.

Doch was hält die Motivation aufrecht, Tag für Tag unter immensem Zeitdruck und für unzählige Überstunden immer wieder ins Krankenhaus zu gehen und Menschen zu behandeln? Bei einem Großteil der Mediziner/innen ist die Antwort immer die gleiche: „Das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben und mit einem guten Gewissen schlafen gehen zu können“. Einige behaupten sogar, dass „Arzt bzw. Ärztin sein“ für sie kein Beruf sei. Viel mehr wäre es eine Berufung. Es sei mehr als ein Job!

Fazit

Ob du Medizin studieren solltest oder nicht, das kannst am Ende nur du selbst entscheiden. Dabei solltest du dir stets darüber im Klaren sein, was für dich die Vor- und Nachteile des Studiums und des Berufs sind. Wenn du bereit bist, für deinen Studienplatz eventuell umzuziehen und besonders in den ersten zwei Jahren des Regelstudiengangs einen Großteil deiner Zeit in das Lernen zu investieren, dann könnte Medizin etwas für dich sein. Wichtig ist es, den Blick für das Ganze zu behalten, auch wenn das Studium teilweise sehr anstrengend ist. Letztendlich stehen einem die Türen in den verschiedensten Berufen offen.

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Justin

Justin ist gebürtiger Hamburger, 24 Jahre alt und studiert Medizin im fünften Jahr an der Uni Magdeburg. Neben seiner Autorentätigkeit bei medizinzinstudium.io führt er mit seinem Mitbewohner den erfolgreichen Podcast “Küchenmedizin”, in welchem die beiden über die Bewerbung für das Medizinstudium aufklären, tiefe Einblicke in das Studium geben und interessante Gäste wie z.B. Ärzt/innen aus verschiedenen Fachrichtungen oder Betroffene verschiedener Krankheitsbilder interviewen.